„Der Stiftungsrat ist Hüter des langfristigen Denkens.“
Seit 2009 ist Dr. Andreas Hünerwadel Mitglied des Stiftungsrates der HOERBIGER Stiftung, seit 2016 deren Präsident. Im Interview erklärt er, weshalb HOERBIGER für ihn nach wie vor ein Familienunternehmen ist, welchen Einfluss Werte und Kultur auf den Erfolg eines Unternehmens haben, welche Verantwortung der Stiftungsrat trägt und weshalb er sich Ziele für die nächsten Jahre als Stiftungsratspräsident steckt, aber keine Prioritäten für das Geschäftsjahr 2023 setzt.
HOERBIGER hat 2022 ein gutes Geschäftsergebnis erreicht. Wie ordnen Sie das Resultat aus Sicht der Stiftung ein?
Dr. Andreas Hünerwadel — Mit der Restrukturierungsphase unter der Leitung von Dr. Jürgen Zeschky hat sich der Konzern eine solide Basis geschaffen, um unter der Leitung von Dr. Thorsten Kahlert in eine erneute Wachstumsphase einzutreten. Das Geschäftsjahr 2022 zeigt nun mit einer Steigerung von Umsatz und Profitabilität die ersten Resultate. Die Eigentümerschaft wird ihren Beitrag zu profitablem Wachstum ebenfalls leisten und den Gewinn des vergangenen Geschäftsjahres größtenteils im Unternehmen belassen, damit die Geschäftsführung diesen in Innovationsprojekte und Akquisitionen investieren kann.
Eine Stiftung als Mehrheitsaktionärin eines Technologiekonzerns ist nach wie vor selten. Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile, und gibt es eventuell auch Nachteile?
AH — Ich bezeichne HOERBIGER immer als Familienunternehmen ohne die üblichen Probleme, die ein traditionelles Familienunternehmen hat. Die Stiftung garantiert Stabilität, und unsere Familiengesellschafterin schafft Identität. Frau Christiana Hörbiger ist eine engagierte Familiengesellschafterin, die diesem Familiencharakter exemplarisch Ausdruck verleiht und dabei immer im Sinne des Konzerns denkt. Eine solche Eigentümerschaft ist eine einzigartige Ausgangslage.
Uns als Stiftung fehlt die Möglichkeit, die Vorzüge des Kapitalmarktes zu nutzen. Entsprechend müssen wir die Mittel für unser Wachstum selbst erarbeiten. Es entfällt aber auch der externe Druck, dem börsennotierte Unternehmen ausgesetzt sind. Vorteil dabei ist, dass wir langfristig denken und handeln können. Dafür müssen wir uns selbst anspruchsvolle Ziele setzen. Unsere Erwartungen an den Konzern haben wir im Stiftungsrat definiert und festgehalten.
„Der Stiftungsrat setzt sich für Kontinuität, Stabilität und Ruhe ein, damit sich die Unternehmensführung auf das Geschäft und die Kunden fokussieren kann.“
Technologiekonzerne leben vom technologischen Fortschritt und von der Innovation. Für HOERBIGER sind aber Werte und Kultur ebenso wichtige Erfolgsfaktoren. Können Sie uns Ihre Sichtweise hierzu erläutern?
AH — HOERBIGER ist, wie jede andere Unternehmung auch, eine Organisation von Menschen, die miteinander arbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Dabei bestimmen die Werte eines Unternehmens die Art und Weise, wie die Mitarbeitenden dies tun. Die Kultur des Unternehmens ist letztlich das Abbild dieses Handelns. Die HOERBIGER Kultur, die aus einer starken Geschichte gewachsen ist und auf unseren gelebten Werten basiert, spielt eine wichtige Rolle in der täglichen Zusammenarbeit – unabhängig davon, ob Sie für HOERBIGER in China, Indien, Amerika oder Europa arbeiten. Die Kultur und die Werte, insbesondere Mut und Pioniergeist, sollen auch den Rahmen schaffen, in dem die HOERBIGER Mitarbeitenden unternehmerische Verantwortung übernehmen und Innovation vorantreiben. Darüber hinaus stellen sie sicher, dass auch in Zukunft diejenigen Menschen bei uns arbeiten, die zu HOERBIGER passen und das Unternehmen voranbringen.
„HOERBIGER ist, wie jede andere
Unternehmung auch, eine Organisation von Menschen, die miteinander arbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen.“
Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Wo steht HOERBIGER in diesem Bereich, und was ist die Sicht der Stiftung zu diesem Thema?
AH — Jeder vernünftige Unternehmer legt Wert auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den Menschen, der Umwelt und der das Unternehmen umgebenden Gesellschaft. Dies ist auch bei HOERBIGER immer schon so gewesen. Eine nachhaltige Geschäftsführung ist Voraussetzung für die langfristige Sicherung unserer Existenz.
Was hingegen neu ist – und da stehen wir tatsächlich an einem Wendepunkt –, sind die formalen Anforderungen, denen wir heute gerecht werden müssen. Als nicht börsennotiertes Unternehmen war HOERBIGER bisher vielen Regularien nicht unterstellt. Alles, was wir getan haben, haben wir aus Überzeugung und Verantwortung heraus getan. Nun jedoch werden wir an viel formaleren Standards gemessen, denn Kunden oder Kreditgeber verlangen von uns, dass wir dieselben Regulatorien einhalten, denen sie selbst unterstehen. Dieser regulatorische Durchgriff zwingt uns, das, was wir immer schon gemacht haben, zu formalisieren und zu dokumentieren. Das ist eine zentrale Voraussetzung dafür, um künftig in der Liga unserer großen Kunden mitspielen zu können.
Welche Prioritäten setzt der Stiftungsrat für das Geschäftsjahr 2023?
AH — Keine, denn die HOERBIGER Stiftung denkt in Perioden und nicht in Geschäftsjahren. Der Stiftungsrat ist der „guardian of long-term thinking“, also der Hüter des langfristigen Denkens. Wir verfolgen langfristige Ziele, die wir 2016 festgelegt haben. Der HOERBIGER Konzern ist 2022 in eine neue Wachstumsphase eingetreten. Diese sieht ein deutliches Umsatzwachstum sowie eine markante Steigerung der Profitabilität vor. Die Verantwortung für die Zielerreichung liegt dabei beim Verwaltungsrat.
Welche Verantwortung trägt die Stiftung?
AH — Die Stiftung muss sicherstellen, dass der HOERBIGER Konzern auch in den kommenden 127 Jahren und darüber hinaus noch existiert. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Stiftung primär für drei Dinge verantwortlich:
Erstens muss er die Rahmenbedingungen für die langfristige Sicherung der Existenz des Konzerns schaffen. Wir haben die für uns wichtigen Punkte in der bereits erwähnten Eigentümerstrategie festgehalten.
Zweitens ist der Stiftungsrat dafür verantwortlich, eine gute Unternehmensführung auszuwählen. Mit der per Ende 2021 neu zusammengesetzten Konzernleitung und dem per Juli 2022 neu formierten Verwaltungsrat verfügen wir über ein ausgezeichnetes Team.
Und drittens muss der Stiftungsrat sicherstellen, dass die Unternehmensführung in Ruhe arbeiten kann und über die nötigen Mittel verfügt, um die Erwartungen der Eigentümer zu erfüllen.
Sie sind seit 2009 im Stiftungsrat der HOERBIGER Stiftung und seit 2016 deren Präsident. Welche persönlichen Ziele haben Sie sich für die nächsten Jahre als Stiftungsratspräsident gesteckt?
AH — Mein oberstes Ziel ist es, Kontinuität sicherzustellen. Gemeinsam mit der Familiengesellschafterin Frau Christiana Hörbiger und den weiteren Mitgliedern des Stiftungsrates setze ich mich für Stabilität und Ruhe ein – zwei wichtige Grundvoraussetzungen dafür, dass sich die Unternehmensführung auf das Geschäft und die Kunden fokussieren kann.
Und das wiederum ist eine wichtige Voraussetzung, um die von der Eigentümerschaft definierte Wachstums- und Profitabilitätssteigerung realisieren zu können.
Nur profitables Wachstum garantiert die langfristige Existenz von HOERBIGER. Dank unserer Profitabilität können wir in unser Wachstum investieren. Und Wachstum bietet Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Entwicklungsmöglichkeiten. Wenn wir diese bieten können, werden wir es auch in Zukunft schaffen, die besten Mitarbeitenden für HOERBIGER zu finden und zu begeistern.
„Der Stiftungsrat muss sicherstellen, dass die Unternehmensführung in Ruhe arbeiten kann und über die nötigen Mittel verfügt, um die Erwartungen der Eigentümer zu erfüllen.“